Rückblick in Bildern#statesechs#melancholie

Schon drei Wochen sind vergangen, die Domäne ist wieder aufgeräumt, der Unialltag hat uns eingeholt. Zum Nachsinnieren hier eine kleine Bildauswahl vom Festivalwochenende. Es war schön mit euch.

Die Party ist datumstechnisch schon fast bedenklich

 Das State of the Art 2014 war alle möglichen Dinge. Zum Beispiel erstaunlich pink. Es war gerade noch sommerlich, ziemlich voll und für manche das erste Theaterfestival ihres Lebens. In der Abschlussrunde wurde über einige dieser Dinge gesprochen und schon ein wenig am #statesieben herumgeschraubt. Ein Protokoll.

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Dass das State of the Art so klein ist, ist gut so. Es ist eine Plattform für Studierende, die sich ausprobieren wollen und bietet die Möglichkeit, notfalls auch zu scheitern, aber immerhin mit einem Minimum an Häme und Spott von den Zuschauern. Da es allerdings fast ein reines Studierendenfestival ist, lässt sich der Vorwurf der Selbstreferenzialität nicht ganz abweisen – einer Veranstaltung, die ihre Teilnehmenden aus dem Publikum generiert und andersherum, wird auf Dauer der frische Wind fehlen, die objektive Draufsicht und der Blick von Nicht-Hildesheimer-Theaterstudierenden.

Um neue Besucherkreise anzuziehen, müsste das State sich längerfristig professionalisieren. Es müsste zu einem Festival werden, das sich den studentischen Charme erhalten hat, auf dem aber auch professionelle Dinge passieren (wir denken an Walkie-Talkies, mit denen die Organisatoren alles im Blick behalten, oder an gesundheitsprämierte Thekenkräfte, die von Hildesheimer Partyservices ausgeliehen werden). Gleichzeitig scheint eine Professionalisierung weder möglich noch sinnvoll, denn die Lernprozesse, die auf dem State of the Art passieren, sollen dort jedes Jahr vorkommen. Es soll für die Erstis eine Einführung in die Hildesheimer Schule und Ästhetik sein, für die höheren Semester eine Werkschau des vergangenen Jahres, es soll in jedem Jahr eine künstlerische Leitung geben, die sich neu der Herausforderung stellt, ein Festival zu kuratieren und zu organisieren.

Für viele ist das State eine Sprungschanze, um die Hemmschwelle zu überwinden, Stücke auch außerhalb eines Unikontextes zu zeigen. Und da ist immer noch die „erstes Theaterfestival des Lebens“-Sache.

Nichtsdestrotrotz wäre es schön, wenn manches anders werden würde im nächsten Jahr. Die neue künstlerische Leitung könnte aus Reflexions- und Brainstormingsitzungen nach dem #statesechs rekrutiert werden und so mehr Zeit für die Organisation haben. Die Struktur des Spielplans war manchen dieses Jahr zu eng, er könnte in Zukunft entschleunigt werden und mehr Freizeit bieten, um das Gesehene zu rekapitulieren und mit Freund*innen zu diskutieren. Die Nachgesprächsverantwortlichen könnten früher gesucht und gefunden werden, um von Beginn an in die Festivalkonzeption eingebunden zu werden, und die Nachgespräche selbst könnten Extraplätze im Programm bekommen, um nicht ständig mit den Vorführungen konkurrieren zu müssen. Die Party muss leider am Freitag stattfinden, man könnte aber zumindest mal über Alternativen reden, damit nicht alle am Samstag immer so komatös sind. Und die Dozenten. Die könnten sich mal wieder mehr mit dem State of the Art beschäftigen. Und zum Festival kommen. Und nicht nur entmutigende Antrittsreden halten. Das wäre ziemlich schön.

Zum Schluss die kontroverseste Frage des Abends: Ist es gerechtfertigt, Eintritt bezahlen zu müssen, wenn das Stück, dass man sehen will, voll ist und man keinen Platz mehr bekommt? Antwort: Leider ja, die Finanzierung ist schon unsicher genug. So weit, so wenig überraschend.

Fazit: Wir kommen trotzdem nächstes Jahr wieder.

Davor bedanken wir uns aber noch mit Kniefall: für drei späte Sommertage an der Domäne, ein wirklich gutes Programm, die geilen pinken Matratzen im Festivalzentrum, die Jurte. Danke für all die schönen Orte und all die schönen Stücke und generell für ein wirklich schönes Festival.

Dass es peinlich ist, nicht in einem Altbau zu wohnen

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Gwendolen van der Linde, Julia Rüegger | Textilis

Welche Mitbewohner hattest du schon? Wie waren die so? Was waren eure Gemeinsamkeiten? Eure Unterschiede? Was mochtest du an ihnen? Waren sie Idioten? Hattet ihr einen Putzplan? Gwendolen van der Linde und Julia Rüegger haben in ihre WG geladen. Sie erzählen uns von ihrem WG-Leben, das genauso wie unser WG-Leben ist. Ihr WG-Tagebuch könnte auch von uns stammen. Außer, dass vielleicht nicht jeder von uns schonmal ein Trampolin gebaut hat. Aus dem Kennenlernen und Auseinanderdriften ihrer WG wird eine Geschichte über alle WGs, über das Leben in Hildesheim und wie man nach Hildesheim mal wohnen will. Vorschlag: „Bei Sex & the City wohnen auch alle allein.“ Eine Performance, die nicht sehr besonders war, aber trotzdem sehr schön.

Lobotomier mich

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Janna Fodor, Katrin Heß, Hannes Siebert, Jana Zimmermann | Das Treffen von Fort Point verkleidet als „Geiz ist Genozid“

Empathie ist eine Grundbedingung des Theaters, vor allem dem Publikum gegenüber. Schwer war es für die der Textvorlage Unkundigen, der Performance zu folgen. Unterhaltsam wars allemal: Konfettikanonen, Mentos in Coca Cola, Würstchen in der Pause; wer liebt das nicht! Vielleicht hätte öfter auf die anfangs eröffnete Show verwiesen werden sollen, um dem Zuschauer klar zu machen, dass sie immer noch läuft, und das Mediale stärker in den Brennpunkt zu rücken. Informativ wars allemal: Rose Kennedys Lobotomie, wer Baseball erfand, Sitting Bulls Auftritt in einer Wild West Show; wer wusste schon davon! Auch die persönliche Komponente, die Doppelexistenz der Figuren als Figuren und Person außerhalb des Stücks dürfte das Überthema „Medien“ unterminiert haben. Auch die verwendeten E-Mails, die ja auch Medien sind, aber nicht als solche, sondern nur als Gags funktionierten. Aufklärerisch wars: Ohne Verstehen des Konzepts aus einer Performance zu gehen, regt ja hoffentlich auch zum Denken an. Allemal: The show must go on!

am anfang der zivilisation

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Benedikt Maurer, Sophia Stoltenberg | Steak of the Art

über den sommer sind ordentlich verhätschelte weinreben an der steinscheunenaußenmauer gediehen. wir stehen in grüppchen auf pflasterstein und rauchen überaus reflektiert. mexikanershots wandern zwischen festivalzentrum und haus 48 gemächlich in unsere mägen. noch sind wir zaghaft und vielleicht etwas widerwillig. oder neu, und deshalb ein bisschen hysterisch. wir reiben uns den semesterferienschlaf aus den augen und verfallen dem rosa weichspüllicht.
p.’s bar-cheftum macht, dass es 43er mit kaffe im shotglas gibt. hundsleben heißt das, aber nicht aufs haus. c. bietet gossip gegen alkohol, doch niemand scheint interessiert. das heißt, schon an gossip, aber nicht an der generierung von gossip. also tanzen wir, brav und ausdauernd, weil die musik in haus 48 nicht aufhört, besser zu werden. gegen 4 uhr kocht vero pasta für die djs und sieht dabei nach wie vor blendend aus. sowieso glänzt die kl so entspannt und gut aussehend in ihrer rolle, als sei sie frisch aus dem wellnessurlaub zurück. c. ist gegen 5 uhr neben den tanzenden in haus 48 eingeschlafen. gegen 7 erwacht sie neben einem zuvorkommenden jungen mann hinter einem notizboard und gönnt sich dann ein taxi.

Rosa ist eine Schlampe

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Ingrid Othello und Hunde | Ich weiß nicht, wieso ich euch so hasse, ihr Fahrradfahrer dieser Stadt

Ingrid Othello und Hunde machen die Schultern breit und unterwerfen sich nicht dem Roseltschen Scheitern. Homeboy Fritz Handerer fehlt, aber seine Band erweist ihm die größtmögliche Ehre: Sie verweigern sich ihrem eigenen Stück. Ohne ihn wollen sie nicht spielen. Also wird aus der Performance eine improvisierte szenische Lesung mit hochmotivierter Besetzung. Wunder hätten wir gesehen, wenn dieses Stück wie geplant hätte gezeigt werden können, aber so war es auch ganz gut. Trotz Längen in der Mitte macht der Text Spaß, obwohl die Grundidee nicht durchkommt, sind die Assoziationsketten witzig. 15 Minuten weniger und wir hätten eine glatte 1,0 vergeben. PS: Jakob Hüffel kann ziemlich schnell sein Shirt ausziehen.

Tamagotchi Superbrain

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Ricardo Gehn | T-Fly

Das Tamagotchi ist zurück. Superbrain Ricardo Gehn hat es zurückgebracht, auf den Kulturcampus der Domäne Marienburg. Da Ricardo Gehn aber wahrscheinlich der klügste Mensch der Domäne ist, steht man da und wundert sich, wo denn das Tamagotchi ist. Man drückt die roten Knöpfe und trifft die falschen Entscheidungen und will eigentlich nur die komischen Insekten füttern, die Ricardo Gehn da aufgestellt hat. Man ist ganz alleine in diesem Raum und denkt sich: Irgendwo sitzt dieses Superbrain und hat mich jetzt genau da, wo es mich immer haben wollte.

Apokalypse auslachen

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Max Engel | Folgen

Die letzten Überlebenden des state of the art rotten sich in der Burg zusammen. Erst ist der Bunker abgeschlossen. Aber dann doch: „Hanni, kannst du mir mal aufsperren?“ Auf der Leinwand ein Crashkurs: wie du wirklich in ein Gebäude eindringst; schieb die Türe mit einem Baseballschläger auf. Das Mädchen neben mir findet das äußerst komisch. Sie lacht bei jeder Szene. Ich verkneife mir einen Kommentar, während sich Ruben das Blut in den Fluss wäscht. Hahahaha, ist das lustig. Gegen Ende wird der absurden Dimension mehr Raum gegönnt. Spätestens das Mädchen mit dem Morgenstern finden dann wirklich alle witzig. Ruben entdeckt eine leerstehende Pyramide im Wald, die das zuvor auf eine Tür gesprayte Kafka-Zitat einlöst. Allerdings reagiert niemand: Alle schämen sich ihrer Pseudointellektualität. Dann doch lieber ein bisschen lachen und Max applaudieren. Schöne Vorstellung.

Gepudert und rasiert

apfel

Faraz Shariat Zadeh Langroudi | Girls I would have fucked if I weren’t gay

„Vielleicht hat er das ja nur gemacht, weil er wirklich gerne mit diesen Mädels geschlafen hätte.“
„Aber interessant wäre doch auch, wenn man wüsste, ob die Girls auch mit Faraz schlafen würden, wenn er nicht schwul wäre.“
„Und was soll eigentlich der Apfel da?“
So unterhalten sich die drei Elite-Kulturwissenschaftler*innen in der Ausstellung über den Künstler. Nur die letzte Frage, die sie sich stellen, stellen wir uns auch gerne: Was soll eigentlich der Apfel da – ist das nicht zu viel gewollt? Egal, davon kann man absehen. Es sind ästhetisch hochwertige Fotos, die Faraz da geliefert hat, ohne Frage. Unklar bleibt, worum es ihm wirklich geht. Er selbst sagt, dass es ihm auch um Freundschaft ginge, und was Sex damit anstellen würde. Das ist eine gute Frage, viel besser als die mit dem Apfel. Und noch viel besser als die ersten beiden.

Einlassarmageddon

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BwieZack | One way ticket

Wer fliegt zum Mars? Und zu Beginn: wer schaffts überhaupt in die Show? Wer muss am Ende den anderen dabei zusehen: „Hier, ich, freiwillig!“ „Nein!“ „Aber ich… bin glaub ich ganz sozial kompetent… rauch hin und wieder mal… Englischkenntnisse… okay, ihr habt Recht… Moment: ich schreibe für den Blog!“ – „Der Einlass ist jetzt vorbei.“ Endlich geht jemand auf die Bedürfnisse der Journalisten ein. Ein Backstagebereich im idyllischen Domänengarten. Die Türe wird nicht zugezogen. Man kann die Veranstaltung hören, versichert mir eine Kandidatin. Das stimmt auch, nur leider kann man nichts verstehen. Dafür zwitschern die Vögel zu laut. In Spiegelschrift wird an die Fenster geschrieben, die Performer*innen denken mit und beziehen das draußen gelassene Publikum ein. Die Fensterfront reflektiert so stark, dass man nichts entziffern kann. Eichen spiegeln sich. Sechs Leute sind übrig, schlagen sich wacker um die verbliebenen Plätze im Raumschiff, das heißt hocken am schönsten Fleckchen der Domäne, starren lustlos gegen die Scheibe. Am Ende ist keiner übrig. Niemand fliegt zum Mars. Eh schöner an der Domäne. Bald kommt ja auch Weihnachten: liebes One way ticket, ich wünsche mir einen Spielplan mit Einlasszeiten und klare Ansagen. Sperrt die Tür ab oder lasst die Leute rein, aber immer diese offenen Beziehungen Türen … Aber was soll die Nörgelei: Wir werden darauf hingewiesen, dass man One Way Ticket nächsten Sonntag in Göttingen sehen kann, das Fenster wird offen, und sogar das Wetter scheiße sein. Ihr sitzt dann im Regen, wenns super kommt: im Schnee! Danke, danke, des Marses unterwürfigster und unwürdiger, bescheidener Diener.